Öffentliche Räume zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie für alle da sind. Straßen, Plätze, Parks und Gärten sind von Natur aus demokratisch, weil sie jedem offenstehen und für alle gleichermaßen zugänglich sind.
Teilhabe und Demokratie
Öffentliche Räume zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie für alle da sind. Straßen, Plätze, Parks und Gärten sind von Natur aus demokratisch, weil sie jedem offenstehen und für alle gleichermaßen zugänglich sind. Teile der Gesellschaft oder bestimmte Gruppen auszuschließen, widerspricht dem Gedanken des öffentlichen Raums. Wie solche Räume gestaltet werden, hängt stark vom Input der Menschen ab, die sie nutzen sollen. Deshalb müssen die Architekten ihnen zuhören. Wir bei Foster + Partners haben Anthropologen und andere Kulturexperten im Team, die uns helfen, die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen und Gemeinschaften bei der Planung besser zu berücksichtigen.
Besonders deutlich zeigt sich das bei unseren urbanen Großprojekten in China. Angesichts der rasanten Stadtentwicklung bleibt das kleine, beschauliche Alltagsleben dort allzu oft auf der Strecke. Ganze Städte, U-Bahn-Netze und Geschäftsviertel scheinen über Nacht aus dem Boden zu schießen und verdrängen dabei oft ganze Dörfer und gewachsene Gemeinschaften. Als Planer, Städtebauer und Architekten haben wir die Aufgabe, Wachstum und Entwicklung zu gestalten, aber auch kulturelles Erbe und Gemeinschaften zu erhalten. Beides ist wichtig. Wenn Stadtlandschaften sich rasch verändern, ist die Pflege der „Nähe zu Anderen“, wie es der französische Philosoph Emmanuel Levinas formulierte, für die soziale Harmonie unerlässlich.
In der zentralchinesischen Metropole Wuhan wurde in nur 14 Jahren ein 237 Kilometer langes U-Bahn-Netz gebaut, damit die elf Millionen Einwohner von A nach B kommen. Verglichen mit dem U-Bahn-Netz von London, das 402 Kilometer lang ist und über einen Zeitraum von 155 Jahren entstand, legt Wuhan ein atemberaubendes Tempo vor. Kein Wunder, dass das Stadtgefüge von zahllosen Baustellen durchlöchert ist. Deshalb beauftragten Wuhans Stadtplaner Foster + Partners mit einer Studie zum öffentlichen Raum. Wir sollten herausfinden, wie sich dieser Flickenteppich am besten zusammenfügen und wie sich Altes nahtlos mit Neuem verbinden lässt.
Wir sprachen ausführlich mit den Einwohnern, beobachteten ihren Alltagsrhythmus, hörten uns ihre Geschichten an und trugen ihre Bedürfnisse zusammen. Alle Informationen flossen in eine ethnografische Analyse ein. Wer etwas für Menschen bauen will, muss ihnen erst einmal zuhören. Nur so können wir wirklich erfassen, was ihr Leben in der Gemeinschaft ausmacht. Das ist für die Gestaltung unschätzbar wertvoll. Wir haben uns mit Einheimischen im Alter von 6 bis 96 Jahren unterhalten und dann einen Katalog von gestalterischen und programmatischen Lösungen erstellt. Wir erfuhren zum Beispiel, dass die traditionellen kleinen Märkte für frische Produkte allmählich verschwanden. Auch von den „Hole in the Wall“-Restaurants, die das traditionelle Frühstück Guo Zao und Mittagsgerichte für kleines Geld anbieten, machte eins nach dem anderen zu. Da die Einheimischen ihre Imbissbuden und Minirestaurants gerne wiederhaben wollten, planten wir einen Park für Verkaufsstände, wo Obst, Gemüse und kleine Speisen angeboten werden. Jetzt haben die Wuhaner wieder einen neuen Treffpunkt. Wir erfuhren auch, dass Großeltern unter der Woche eine wichtige Rolle bei der Kinderbetreuung spielen. Auf den Spielplätzen gab es aber keine Mahjong-Tische. Deshalb gestalteten wir einen Mehrgenerationen-Park, in dem die Großeltern beim Mahjong-Spiel gleichzeitig die Kinder im Auge behalten können. Es entstand ein neuer gesellschaftlicher Raum, der mehr ist als die Summe seiner Teile. Wem öffentliche Räume gehören, ist eine komplexe Frage. Es geht nicht nur um das rechtliche Eigentum, sondern auch darum, wie einladend Räume sind und wie sie sich in das städtische Leben einfügen. London ist berühmt für seine Gartenplätze. Große öffentliche Parks gibt es auch in anderen europäischen Städten, aber keine hat in ähnlicher Weise den Gartenplatz kultiviert. Die meisten dieser Plätze verdankt London privater Großzügigkeit – wohlhabenden Familien oder Stiftern, die sie im eigenen Namen, aber fast immer als öffentliche Parks anlegen ließen.