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    Der nachfolgende Text gibt die Ansicht der Autoren wieder, die nicht unbedingt der Sichtweise der Europäischen Investitionsbank entspricht.


    Dritte Orte

    Vor zweitausend Jahren formulierte der römische Architekt Vitruv die drei meistzitierten Kriterien der Baukunst: firmitas, utilitas und venustas – Stabilität, Zweckmäßigkeit und Schönheit. Wie die römische Architektur haben auch diese Prinzipien die Zeit überdauert. Vitruv beschränkte sich allerdings auf die Anforderungen an gut geplante Gebäude. Er sagte nichts über die gemeinsame Verantwortung für den umgebenden öffentlichen Raum – den „gemeinsamen Boden“, der die Gebäude in das städtische Gefüge einwebt.

    Der amerikanische Stadtsoziologe Ray Oldenburg sprach in diesem Zusammenhang von Dritten Orten. Das sind öffentliche Räume, in denen Menschen auf neutralem Boden zwanglos zusammenkommen: „öffentliche Plätze, die das regelmäßige, freiwillige und gesellige Zusammensein der Menschen außerhalb von Heim und Arbeit ermöglichen“. Heim, Arbeit und der Dritte Ort bilden eine Triade des städtischen Lebens. Dabei erfüllt der Dritte Ort die wichtige soziale Funktion, einen Ort der Begegnung anzubieten. Mit anderen Worten: Er ist ein wesentlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Er vermittelt Identität und gibt den Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Sie kommen dorthin, um „zu sehen und gesehen zu werden“, und um in der realen Welt soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.

    © Getty Images

    Wir bei Foster + Partners sind uns der Bedeutung des gemeinsamen Bodens bewusst. Durch seine Gestaltung können wir Menschen sinnstiftend zusammenbringen – unabhängig von ihrer Herkunft, Behinderungen oder Unterschieden. Wir können nachhaltige Räume schaffen im Bewusstsein, dass wir unsere Städte nicht nur von unseren Vorfahren erben, sondern auch für nachfolgende Generationen erhalten müssen.

    Wir bei Foster + Partners sind uns der Bedeutung des gemeinsamen Bodens bewusst. Durch seine Gestaltung können wir Menschen sinnstiftend zusammenbringen – unabhängig von ihrer Herkunft, Behinderungen oder Unterschieden. Wir können nachhaltige Räume schaffen im Bewusstsein, dass wir unsere Städte nicht nur von unseren Vorfahren erben, sondern auch für nachfolgende Generationen erhalten müssen. In den letzten fünfzig Jahren haben wir in unterschiedlichsten Kulturkreisen und Klimazonen auf mehreren Kontinenten Gebäude errichtet, Stadtviertel erneuert und Konzepte für ganze Städte erstellt. Verantwortungsbewusstsein und Feingefühl für öffentliche Räume prägen unsere gesamte Arbeit. Es gibt zwar keine Universallösung, aber drei Kriterien gelten für den gemeinsamen Boden immer: Er muss Begegnungsraum schaffen, alle ansprechen und nachhaltig sein.

     

    Öffentlicher Raum und öffentliches Leben

    Öffentlicher Raum und öffentliches Leben sind eng verflochten. Besonders lebendig und lebenswert sind Städte mit einer bunten Vielfalt an öffentlichen Plätzen, die unterschiedlich groß sind und verschiedene Funktionen erfüllen. Das reicht von den großen Plätzen wie Trafalgar Square in London, wo Demonstrationen und Kulturveranstaltungen stattfinden, bis hin zu kleinen, intimen Pocket-Parks wie Paley Park in New York, wo Manhattans Büroangestellte eine Verschnaufpause vom hektischen Alltag machen können. Öffentliche Räume müssen sich für Großveranstaltungen eignen, aber auch Alltagsoasen sein.

    Ein Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Bedürfnisse von Fußgängern und Autofahrern in Einklang zu bringen. Seit der Demokratisierung des Autos Anfang des 20. Jahrhunderts ist in den Städten ein dichtes Netz aus Straßen, Kreuzungen und Parkplätzen entstanden. Heute sind die Städte verstopft, der Verkehr ist allgegenwärtig. Es geht aber nicht darum, die gesamte Verkehrsinfrastruktur für Autos einfach abzuschaffen. Sie erfüllt schließlich eine wichtige Funktion: ohne Straßen kommen kein Krankenwagen und keine Feuerwehr, und ohne Lieferwagen bleiben auch die Geschäfte leer. Lebendig wird eine Stadt allerdings erst, wenn es auch genügend Gehwege und Fußgängerzonen gibt.

    Ein Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Bedürfnisse von Fußgängern und Autofahrern in Einklang zu bringen.

    Nach diesem Prinzip haben wir den Trafalgar Square in London neugestaltet. Der Platz ist seit jeher das öffentliche Zentrum der Stadt. Doch der ununterbrochene Verkehrsfluss hatte die Nelsonsäule und die beiden Brunnen zu einer Verkehrsinsel verkommen lassen. Hinüber kam nur, wer bereit war, Leib und Leben zu riskieren. Und natürlich die Tauben. Allen war klar, dass sich etwas ändern musste. Wir befragten über 180 verschiedene Einrichtungen und Tausende Personen, analysierten akribisch, wie sich Fußgänger und Fahrzeuge auf dem Platz und um ihn herum bewegten, und fanden dann eine Lösung, die ihn der Öffentlichkeit wieder zurückgab: Die Nordseite wurde komplett für den Verkehr geschlossen. Vor der Nationalgalerie entstand eine breite Terrasse mit einer neuen Treppe hinunter auf den Platz. Unterhalb der Terrasse, die auch per Aufzug erreichbar ist, kann man jetzt in einem Café mit Tischen im Freien entspannt den Ausblick genießen.

    ©Nigel Young/ Foster + Partners

    Durch die gelungene Umgestaltung gewann der Trafalgar Square seinen Glanz und Charme zurück. Anschließende Studien zeigen, dass Autos seit der Schließung der North Terrace zwar etwas länger brauchen, die öffentlichen Verkehrsmittel jedoch deutlich zügiger vorankommen. Die Menschen haben mit den Füßen abgestimmt: Heute kommen dreizehn Mal so viele Fußgänger auf den Platz wie zuvor. Und die Nationalgalerie verzeichnete einen deutlichen Anstieg der Besucherzahlen. Auf dem Trafalgar Square finden inzwischen viele Veranstaltungen statt, kulturelle und religiöse Feste, aber auch Kundgebungen und kommerzielle Events. Diese Veranstaltungen sind so vielfältig wie die britische Hauptstadt selbst, die für ihre Offenheit und Toleranz bekannt ist.

    In Marseille orientierte sich die Stadtplanung jahrzehntelang am Autoverkehr. Dadurch hatte sich der einst lebendige Kai am alten Hafen in einen riesigen Parkplatz verwandelt. In Vorbereitung auf 2013, als Marseille Kulturhauptstadt werden sollte, planten wir mit dem französischen Landschaftsarchitekten Michel Desvigne die Neugestaltung des Hafengeländes. Zuerst ließen wir bewegliche Poller aufstellen, sodass weniger Autos parken konnten und der Platz wieder den Fußgängern vorbehalten war. Außerdem wurden die Bootshäuser vom Rand des Hafens auf speziell angefertigte schwimmende Plattformen verlegt. Durch diese einfachen, aber wirkungsvollen Maßnahmen konnte der neu gepflasterte Kai wieder von der Öffentlichkeit genutzt werden. Ein graziler, hochglanzpolierter Stahlpavillon schützt vor der Mittelmeersonne und schafft eine Kulisse für Märkte oder spontane Auftritte von Straßenmusikern. An diesem symbolischen Ort trifft man sich auch, um der Opfer der Anschläge auf Charlie Hebdo zu gedenken – ein bewegender Beleg dafür, wie wichtig öffentliche Plätze sind, um auch gemeinsam zu trauern.

    Marseille, Vieux Port © Foster +Partners

    Aber nicht nur die Begegnungsorte in historisch gewachsenen Städten müssen wiederbelebt werden. Attraktive und lebenswerte Städte brauchen auch neue soziale Räume. Unsere Arbeit in Duisburg in den 1990er-Jahren zeigte, dass der Trend zu sauberen, ruhigen Wirtschaftsbranchen städtische Problemviertel neu beleben kann. So können nachhaltige, zukunftsfähige Räume entstehen, in denen Menschen leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Damit tritt im 21. Jahrhundert das urbane Konzept der Mischnutzung an die Stelle der nach Zonen und Funktionen gegliederten Stadt des 20. Jahrhunderts. In Duisburg sollte das städtische Leben wieder näher ans Wasser rücken. Entlang des Hafens wurden ausgewählte Gebäude saniert, und es entstanden Neubauten mit Wohnungen, Büros und Dienstleistungsflächen. Hinzu kamen soziale und kulturelle Einrichtungen unterschiedlicher Art. Das Konzept bot einen flexiblen Rahmen, in dem die einzelnen Elemente unabhängig voneinander nach und nach von verschiedenen Architekten entwickelt werden konnten. Vorrang hatten die neue Infrastruktur und öffentliche Einrichtungen, um den Hafen zu einem attraktiven Wohn-, Arbeits- und Freizeitviertel zu machen. Am Ufer entstand eine von Bäumen gesäumte Promenade, und es wurden Grachten angelegt, an denen nun neue Wohnhäuser stehen. Von den Wohnungen der fünfgeschossigen Häuser geht der Blick über das Wasser oder zur Stadtseite hin auf öffentliche Gärten hinaus.

    In besonders dicht besiedelten Städten wie Hongkong sind öffentliche Flächen generell knapp. In seinem Buch Cities Without Ground beschreibt Adam Frampton Hongkongs labyrinthartiges Geflecht aus Fußgängerbrücken, die benachbarte Gebäude miteinander verbinden, um den Menschen hoch über dem Verkehrschaos öffentlichen Raum zurückzugeben. In Hongkong sind Orte des öffentlichen Lebens besonders wichtig, weil Grundstücke astronomisch teuer sind und die Wohnungen immer kleiner werden. Ende der 1970er-Jahre gewannen wir den Wettbewerb für die neue Zentrale der Hongkong and Shanghai Bank im Finanz- und Geschäftszentrum von Hongkong. Uns war klar, wie wenig öffentliche Plätze es in der Stadtmitte gibt. Also beschlossen wir, das Gebäude anzuheben und ebenerdig einen Platz für die Öffentlichkeit zu schaffen. Hier findet seither jede Woche das größte Picknick der Stadt statt. Der Platz ist Treffpunkt für die Hausangestellten, die sich dort – zuverlässig vor Sonne und Regen geschützt – sonntags mit Freunden treffen. Seit fast dreißig Jahren können sie an diesem Ort der Ruhe und Geselligkeit essen, plaudern, singen und tanzen. Dies zeigt, dass auch Privatgebäude einen „gemeinsamen Boden“ bieten und dem Gemeinwohl dienen können.

    © Ben Johnson

    Städte als Geflecht

    Städte sind ein Geflecht aus öffentlichen und privaten Räumen. Der Nolli-Plan des italienischen Architekten und Kartographen Giambattista Nolli aus dem Jahr 1748 stellt dieses Geflecht als eine Art Fingerabdruck dar. Der öffentliche Raum umfasst dort nicht nur Straßen, Plätze, Höfe und Gassen, sondern auch städtische Gebäude wie Kirchen, Museen, Theater, Cafés, Hörsäle, Versammlungsräume und Stadien.

    Um die Verwebung von öffentlichem Raum mit dem Gebäudeinneren ging es bei einem Projekt, das wir um die Jahrtausendwende in London umsetzten: Der Great Court im British Museum war lange Zeit kein öffentlicher Raum. Ursprünglich als offener Garten inmitten des Museums angelegt, war der Innenhof ab dem Baubeginn für den Runden Lesesaal mit seinen Bücherregalen für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Später, als die British Library an ihren jetzigen Standort an der Euston Road umzog, beschloss man, den Innenhof wieder zu öffnen. Die Aufgabe beschränkte sich nicht auf die Erweiterung und Umgestaltung des Museums, sondern reichte bis in die Stadtplanung hinein. Der frei zugängliche und abends lange geöffnete Great Court ist zu einem öffentlichen Platz geworden, mitten in einem städtischen Gebäude. Mit einer Fläche von zwei Hektar ist er in etwa so groß ist wie die meisten kleineren öffentlichen Plätze Londons. Überdacht von einer hohen Glaskonstruktion steht der Hof allen offen – ein öffentlicher Raum im Herzen eines internationalen Museums.

    ©Nigel Young/ Foster + Partners

    Öffentliche Räume zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie für alle da sind. Straßen, Plätze, Parks und Gärten sind von Natur aus demokratisch, weil sie jedem offenstehen und für alle gleichermaßen zugänglich sind.

    Teilhabe und Demokratie

    Öffentliche Räume zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie für alle da sind. Straßen, Plätze, Parks und Gärten sind von Natur aus demokratisch, weil sie jedem offenstehen und für alle gleichermaßen zugänglich sind. Teile der Gesellschaft oder bestimmte Gruppen auszuschließen, widerspricht dem Gedanken des öffentlichen Raums. Wie solche Räume gestaltet werden, hängt stark vom Input der Menschen ab, die sie nutzen sollen. Deshalb müssen die Architekten ihnen zuhören. Wir bei Foster + Partners haben Anthropologen und andere Kulturexperten im Team, die uns helfen, die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen und Gemeinschaften bei der Planung besser zu berücksichtigen.

    Besonders deutlich zeigt sich das bei unseren urbanen Großprojekten in China. Angesichts der rasanten Stadtentwicklung bleibt das kleine, beschauliche Alltagsleben dort allzu oft auf der Strecke. Ganze Städte, U-Bahn-Netze und Geschäftsviertel scheinen über Nacht aus dem Boden zu schießen und verdrängen dabei oft ganze Dörfer und gewachsene Gemeinschaften. Als Planer, Städtebauer und Architekten haben wir die Aufgabe, Wachstum und Entwicklung zu gestalten, aber auch kulturelles Erbe und Gemeinschaften zu erhalten. Beides ist wichtig. Wenn Stadtlandschaften sich rasch verändern, ist die Pflege der „Nähe zu Anderen“, wie es der französische Philosoph Emmanuel Levinas formulierte, für die soziale Harmonie unerlässlich.

    In der zentralchinesischen Metropole Wuhan wurde in nur 14 Jahren ein 237 Kilometer langes U-Bahn-Netz gebaut, damit die elf Millionen Einwohner von A nach B kommen. Verglichen mit dem U-Bahn-Netz von London, das 402 Kilometer lang ist und über einen Zeitraum von 155 Jahren entstand, legt Wuhan ein atemberaubendes Tempo vor. Kein Wunder, dass das Stadtgefüge von zahllosen Baustellen durchlöchert ist. Deshalb beauftragten Wuhans Stadtplaner Foster + Partners mit einer Studie zum öffentlichen Raum. Wir sollten herausfinden, wie sich dieser Flickenteppich am besten zusammenfügen und wie sich Altes nahtlos mit Neuem verbinden lässt.

    Wir sprachen ausführlich mit den Einwohnern, beobachteten ihren Alltagsrhythmus, hörten uns ihre Geschichten an und trugen ihre Bedürfnisse zusammen. Alle Informationen flossen in eine ethnografische Analyse ein. Wer etwas für Menschen bauen will, muss ihnen erst einmal zuhören. Nur so können wir wirklich erfassen, was ihr Leben in der Gemeinschaft ausmacht. Das ist für die Gestaltung unschätzbar wertvoll. Wir haben uns mit Einheimischen im Alter von 6 bis 96 Jahren unterhalten und dann einen Katalog von gestalterischen und programmatischen Lösungen erstellt. Wir erfuhren zum Beispiel, dass die traditionellen kleinen Märkte für frische Produkte allmählich verschwanden. Auch von den „Hole in the Wall“-Restaurants, die das traditionelle Frühstück Guo Zao und Mittagsgerichte für kleines Geld anbieten, machte eins nach dem anderen zu. Da die Einheimischen ihre Imbissbuden und Minirestaurants gerne wiederhaben wollten, planten wir einen Park für Verkaufsstände, wo Obst, Gemüse und kleine Speisen angeboten werden. Jetzt haben die Wuhaner wieder einen neuen Treffpunkt. Wir erfuhren auch, dass Großeltern unter der Woche eine wichtige Rolle bei der Kinderbetreuung spielen. Auf den Spielplätzen gab es aber keine Mahjong-Tische. Deshalb gestalteten wir einen Mehrgenerationen-Park, in dem die Großeltern beim Mahjong-Spiel gleichzeitig die Kinder im Auge behalten können. Es entstand ein neuer gesellschaftlicher Raum, der mehr ist als die Summe seiner Teile. Wem öffentliche Räume gehören, ist eine komplexe Frage. Es geht nicht nur um das rechtliche Eigentum, sondern auch darum, wie einladend Räume sind und wie sie sich in das städtische Leben einfügen. London ist berühmt für seine Gartenplätze. Große öffentliche Parks gibt es auch in anderen europäischen Städten, aber keine hat in ähnlicher Weise den Gartenplatz kultiviert. Die meisten dieser Plätze verdankt London privater Großzügigkeit – wohlhabenden Familien oder Stiftern, die sie im eigenen Namen, aber fast immer als öffentliche Parks anlegen ließen.

    © Foster + Partners

    Heute dienen immer mehr Portiken von Bürogebäuden und Innenhöfe von Geschäftshäusern als öffentliche Plätze. Diese „POPS“ (Privately Owned Public Spaces), öffentliche Plätze in Privateigentum, sind auf dem Vormarsch und haben eine Diskussion über das Wesen und die Bedeutung von öffentlichem Boden angestoßen. Gewinnorientierte Bewirtschaftung und drastische Sicherheitsvorkehrungen können abschrecken, Funktionen einschränken und eine unnahbare Exklusivität schaffen. Andererseits lassen sich mit privaten Geldern für die Gestaltung und Pflege öffentlicher Plätze dringende Investitionen in die Verschönerung der Stadt stemmen, während die öffentlichen Kassen immer klammer werden. POPS mögen Vor- und Nachteile haben – sie bleiben aber wichtige Areale, die wir Architekten als öffentliche Plätze in modernen Städten mitgestalten können.

    Ein gutes Beispiel aus jüngster Zeit ist die neue Europazentrale von Bloomberg in der Londoner City. Dort konnten wir unsere Vorstellungen für den öffentlichen Raum um das Gebäude herum einbringen. Mit den Bloomberg-Arkaden wurde ein verbauter Abschnitt der antiken Römerstraße Watling Street, die einst London und Wales miteinander verband, wieder geöffnet. Die Arkaden durchschneiden den Komplex in der Mitte, sodass viel mehr Fußgänger die engen alten Gassen rund um das Gebäude beleben. Gleichzeitig locken neue Restaurants und Cafés zum Besuch in die überdachte Kolonnade. Elegante Anlagen laden Berufstätige und Besucher ein, auf den öffentlichen Flächen um den Neubau zu verweilen – ganz im Sinne von Michael Bloomberg, der ein „guter Nachbar“ sein möchte. Cristina Iglesiasʼ Wasserskulptur Forgotten Streams ist eine Hommage an den Walbrook River, der einst dort floss: ein Ort der Ruhe inmitten des geschäftigen Kommens und Gehens in der Stadt.

    © Getty Images

    Für eine nachhaltige Stadtgestaltung müssen wir das urbane Mikroklima kennen, wie die Windverteilung, Schadstoffbelastungen und die Bedingungen für thermische Behaglichkeit.

    Nachhaltiges Design

    Wir bemühen uns nach Kräften, Schritt zu halten mit dem Identitätswandel und den Bedürfnissen einer Bevölkerung, die sich rasch verändert. Aber wir müssen auch an künftige Generationen denken. Das heißt zunächst und vor allem: die Umwelt schützen. Städte bedecken nur knapp zwei Prozent der Erdoberfläche. Sie beherbergen jedoch 55 Prozent der Weltbevölkerung, verbrauchen 67 Prozent der weltweit erzeugten Energie und verursachen über 70 Prozent der Treibhausgasemissionen. Architekten stehen in der Verantwortung, für nachhaltige Konzepte zu werben, die dieser Diskrepanz etwas entgegensetzen. Für Gebäude gelten internationale Nachhaltigkeitsstandards wie BREAM oder LEED, für öffentliche Plätze nicht – ein klares Versäumnis.

    Für eine nachhaltige Stadtgestaltung müssen wir das urbane Mikroklima kennen, wie die Windverteilung, Schadstoffbelastungen und die Bedingungen für thermische Behaglichkeit. Das Gute ist: Städte tragen zwar am stärksten zum Klimawandel bei; als Wissens- und Innovationszentren können sie aber auch die technischen und institutionellen Lösungen entwickeln, die die Wirtschaft grüner machen, für einen besseren Umgang mit Ressourcen sorgen und das Ökosystem und die biologische Vielfalt schützen. Architekturtrends folgen dem weltweiten Streben nach einer nachhaltigen Lebensweise. Davon sind wir überzeugt. Sie bieten Lösungen für künftige Herausforderungen, die sich aus dem stetigen Bevölkerungswachstum und dem Städtewandel ergeben.

    Das jeweilige Mikroklima sollte bei der Planung von Freiflächen immer berücksichtigt werden. Mit unserem Konzept für Masdar City (Abu Dhabi) gingen wir neue Wege in Richtung nachhaltigere Stadtplanung. Wir verbanden modernste Technologien mit den Planungsgrundsätzen für traditionelle arabische Siedlungen, um eine CO2-neutrale, abfallfreie Wüstenstadt zu schaffen. Das 640-Hektar-Projekt ist ein Kernelement der „Masdar-Initiative“, mit der Abu Dhabi die Forschung und Entwicklung bei erneuerbaren Energien und sauberen Technologien vorantreiben und das Land unabhängig vom Öl machen will. Masdar City erprobt neue Konzepte für die Energieerzeugung und will dafür die besten Köpfe anlocken. Die in der Modellstadt gesammelten Erkenntnisse sind bereits in das landeseigene Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen „Estidama“ eingeflossen. Umweltstudien nach dem Bezug von Gebäuden belegen, dass das Konzept funktioniert: Die gefühlten Temperaturen sind niedriger, und das gemäßigte Klima hält in der Stadt länger an. Aktive Mobilität fördern und die Abhängigkeit vom Auto verringern ist ein weiterer Eckpfeiler nachhaltiger Stadtplanung. Das gilt auch für das Gelände um die Schleuse Slussen in Stockholm, das eine Brücke zwischen der Altstadt und der Insel Södermalm bildet. So entsteht ein neues, angesagtes Freizeitareal im Herzen der Inselstadt Stockholm, mit neuen öffentlichen Plätzen, Uferpromenaden, Geh- und Radwegen sowie attraktiven Neubauten. Durch den Umbau der alten Infrastruktur verringert sich aber auch die Gefahr von Überschwemmungen, und Stockholm erhält einen hochmodernen neuen Verkehrsknoten.

    Masdar City, © Foster+Partners

    Die maroden Bauwerke aus der Vorkriegszeit mussten dringend ersetzt werden, das gab den Anstoß für das Projekt. Die Stadt Stockholm nutzt die Gelegenheit, diesen wichtigen Teil der Hauptstadt zu einem neuen Anziehungspunkt zu machen, an dem Fahrzeuge und Fußgänger sich nicht ins Gehege kommen und öffentliche Flächen durch den direkten Zugang zum Wasser an Attraktivität gewinnen. Trotzdem soll die Stadt an diesem historischen Ort ihren Charakter bewahren. Das wurde bei der Dimensionierung und Detailplanung bewusst berücksichtigt. Die Herausforderung von Slussen bestand darin, ein Freizeitgelände an einem Ort zu schaffen, der fast zehn Jahre lang nur als unterirdischer Verkehrsknoten genutzt wurde. In Slussen wird nicht nur die Verkehrsinfrastruktur modernisiert und gegen den steigenden Meeresspiegel geschützt. Hier entsteht ein neuer, attraktiver Ort in der Stadt – mit mehr begehbaren Flächen, einem öffentlichen Park, Freiflächen am Ufer und einem besseren Hochwasserschutz.

    © dbox / Foster + Partners

    Nachhaltigkeit bedeutet letztlich, Mensch und Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wir wollen Orte in Einklang mit der Natur gestalten, nicht gegen sie. Die meisten Städte sind heute von der Natur abgeschnitten. Gut gestaltete Freiflächen, inspiriert durch den biophilen Wunsch, die Natur in die Stadt zu holen, geben den Menschen wieder die Möglichkeit, Natur zu erleben. Das trägt nicht nur zum Wohlbefinden bei. Die Natur hat auch einen starken Einfluss auf die thermische Behaglichkeit – und dieser Effekt dürfte mit dem Klimawandel noch zunehmen. Zuvor entwickelte Areale wiederbegrünen und Viertel schaffen, in denen sich urbanes Leben und Parks, Fußgänger- und Fahrverkehr, Altes und Neues ausgewogen miteinander verbinden – das bestimmt unsere Herangehensweise bei der Gestaltung öffentlicher Räume.

    Mailand beispielsweise ist von ehemaligen Industriegebieten umgeben, die umgestaltet und als nachhaltige Stadtviertel zu neuem Leben erweckt werden können. Wir entwickeln das Konzept zur Revitalisierung des Vororts Milano Santa Giulia, der von seiner Größe und Lage her und dank der hervorragenden Verkehrsanbindung beste Voraussetzungen dazu bietet. Der öffentliche Raum – nach den Bedürfnissen einer bunt gemischten Einwohnerschaft und vieler Besucher gestaltet – spielt dabei eine Hauptrolle. Deshalb soll mitten durch das neue Stadtviertel eine Promenade verlaufen, die mehrere öffentliche Plätze miteinander verbindet. Umweltschutz und Ökologie wurden konsequent auf allen Ebenen der Planung berücksichtigt – von den Grünflächen und der Ausrichtung der Gebäude über ihre flexible Nutzbarkeit und Lebensdauer bis hin zu den Baumaterialien und dem Energieverbrauch der Häuser. In Santa Giulia soll sich das lebhafte Stadtleben mit dem beruhigenden Einfluss der Natur verbinden und eine Umgebung schaffen, in der sich die Menschen zu Hause fühlen.

     

    Grün-blaue Infrastruktur

    Mit der sogenannten „grün-blauen Infrastruktur“ lassen sich naturnahe Lösungen einbinden. Das hilft, die Temperatur in Städten stabil zu halten, und schützt wirksam vor Überschwemmungen. Naturnahe Lösungen spielen auch eine wichtige Rolle für die biologische Vielfalt und für ökologische Korridore, in denen heimische Spezies einen Lebensraum finden. Und mit Blick auf die Ernährungskrise kann die urbane Landwirtschaft in Zukunft sogar einen Teil unserer Nahrungsmittel erzeugen.

    ©Rawpixel.com/ Shutterstock

    Zu den ökologischen Vorteilen gehören eine bessere Luftqualität, weniger Umweltverschmutzung und städtische Wärmeinseln, eine größere biologische Vielfalt, Infrastruktur für Begrünungsmaßnahmen, die Wiedernutzung heruntergekommener Brachflächen, die Nahrungsmittelproduktion und die Erzeugung von grüner Energie.

    Gut gestaltete öffentliche Räume bieten vielfältige soziale, ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Sie erzeugen ein Zugehörigkeitsgefühl, fördern Zusammenhalt, Gesundheit und Wohlbefinden, verringern Kriminalität und antisoziales Verhalten und bieten Möglichkeiten zum Spielen und Lernen. Zu den ökologischen Vorteilen gehören eine bessere Luftqualität, weniger Umweltverschmutzung und städtische Wärmeinseln, eine größere biologische Vielfalt, Infrastruktur für Begrünungsmaßnahmen, die Wiedernutzung heruntergekommener Brachflächen, die Nahrungsmittelproduktion und die Erzeugung von grüner Energie. Die Wirtschaft profitiert, weil Besucher, Berufstätige und Anwohner mehr Geld ausgeben, Standorte für Arbeitgeber und Arbeitnehmer attraktiver werden, Immobilien- und Mietwerte steigen und Investitionen aus dem Ausland zunehmen.

    Wir müssen beim Städte-Branding weg von den markanten Skylines und vertikalen Silhouetten. Stattdessen sollten wir uns mehr auf die Räume zwischen den Gebäuden konzentrieren. Gut gestaltete öffentliche Räume schaffen ein Ortsgefühl und machen aus dem städtischen Gefüge ein funktionierendes Ökosystem. Wir wollen Maßstäbe setzen für eine gute Stadtplanung, die sich an ehrgeizigen und verantwortungsvollen Zielen orientiert. Das finden wir wichtig. Die hier vorgestellten Projekte veranschaulichen unser Vorgehen bei der Gestaltung öffentlicher Räume, die das städtische Gefüge zusammenhalten. Norman Foster sagte oft: „Wenn wir eine Stadt besuchen, dann ist die Abfolge der Räume und Verbindungen – der Straßen, Plätze, Parks, Brücken und Verkehrssysteme – das, was unser Erlebnis prägt.“ Die Kommunikationstechnologien mögen unsere Wahrnehmung von öffentlichem Raum verändert haben und in Richtung virtuelle Gemeinschaften im Cyberspace verschieben; wir alle leben aber immer noch im physischen Raum. Ist es nicht eine Ironie, dass wir heute digital vernetzt sind, uns aber real voneinander entfernen? Wir müssen öffentliche Räume als Orte der Begegnung pflegen. In einer Zeit, da Gemeinschaften und Kulturen sich immer stärker verflechten, ist das wichtiger denn je.