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    Von Peter McGoldrick

    Die Europäische Union will mit den Hunderten Milliarden Euro, die sie für den Wideraufbau nach Corona mobilisiert, die europäische Wirtschaft grüner und digitaler machen. Öffentliche Investitionen – insbesondere kommunale – spielen dabei eine wichtige Rolle.

    Gebietskörperschaften wie Kommunen tätigen 45 Prozent aller staatlichen Investitionen. Sie investieren in Basisinfrastruktur, etwa in den öffentlichen Nahverkehr oder die Wasserversorgung, und sie modernisieren öffentliche Gebäude wie Schulen, Krankenhäuser oder Sozialwohnungen. Mit ihrer Fokussierung auf Energieeffizienz bei diesen Investitionen helfen sie Europa, seine ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Weil Kommunen außerdem für rund 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, spielen sie auch durch die Umsetzung lokaler Entwicklungsstrategien und die Durchsetzung von Rechtsvorschriften beim Schutz von Klima und biologischer Vielfalt eine wichtige Rolle.

    Doch ein Jahrzehnt geringer kommunaler Investitionen – die Nachwehen der Finanzkrise und der daraus resultierenden Sparmaßnahmen – hat deutliche Spuren hinterlassen. Als die Pandemie ausbrach, hatten die Kommunen gerade damit begonnen, die langjährigen Infrastrukturlücken zu schließen und neue dringende digitale und klimabezogene Herausforderungen anzugehen.

    Um die kommunalen Ausgaben- und Investitionsprioritäten besser zu beurteilen, führte die Abteilung Volkswirtschaftliche Analysen der Europäischen Investitionsbank im Sommer 2020 eine Umfrage durch. Zwischen Mai und August 2020 befragte sie 685 Kommunen zu Infrastrukturlücken, Investitionsbedarf und Investitionshürden. Die Ergebnisse sind in einem neuen Bericht zusammengefasst: The state of local infrastructure investment in Europe: EIB Municipalities Survey 2020.

    Mehr Investitionen

    Die kommunalen Investitionen nahmen ab 2017 wieder zu. Fast zwei Drittel der Kommunen in der EU hatten in den drei Jahren vor der Pandemie ihre Infrastrukturinvestitionen erhöht. Investiert wurde vor allem in die digitale Infrastruktur (70 Prozent der Kommunen), soziale Dienste (60 Prozent) und in den Klimaschutz (56 Prozent).

    Die Umfrage zeigt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen europäischen Regionen. Südeuropa, das noch immer unter der Finanzkrise litt, hielt sich bei den Ausgaben weiterhin zurück. Die meisten befragten Kommunen in Südeuropa investierten weniger oder gleich viel im Vergleich zu vorher, wobei der Großteil ihrer Ausgaben auf Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen und nur ein kleiner Teil auf neue Infrastruktur entfiel. Im Gegensatz dazu stockten fast drei Viertel der Kommunen im übrigen Europa ihre Infrastrukturinvestitionen auf.

    Viele Kommunen waren der Ansicht, dass ihre höheren Investitionen nicht ausreichten, um die künftigen Herausforderungen zu meistern. Dies galt vor allem für ihre Investitionen in den Klimaschutz (65 Prozent), die Anpassung an den Klimawandel (69 Prozent), die Digitalisierung (47 Prozent) und den öffentlichen Verkehr (46 Prozent). Besonders viele Bedenken in Bezug auf den städtischen Verkehr gab es in Südeuropa.

    Neuinvestitionen werden durch verschiedene Hürden ausgebremst. Die größte besteht nach Ansicht der meisten Kommunen in den fehlenden finanziellen Mitteln, gefolgt von bürokratischen Vorschriften (sowohl die Dauer der Verfahren als auch die Unsicherheit in Bezug auf die Vorschriften) und mangelnder Fachkompetenz zur Durchführung von Projekten. Diese Hürden gibt es den Kommunen zufolge auch bei klimabezogenen Investitionen, wobei hier jedoch der Mangel an Finanzmitteln noch stärker ins Gewicht fällt.

    Pandemie rückt Klimakrise in den Hintergrund

    Vor der Pandemie wollten mehr als zwei Drittel der Kommunen ihre Infrastrukturinvestitionen in den nächsten fünf Jahren erhöhen. Zu den wichtigsten Prioritäten gehörten die digitale Infrastruktur sowie die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung daran. Am stärksten stiegen die Ausgaben für die Anpassung an den Klimawandel – ein Beleg, dass diesem Thema immer mehr Bedeutung beigemessen wird.

    Die Pandemie hat die Entschlossenheit der Kommunen zum Klimaschutz jedoch möglicherweise gemindert, denn sie richteten ihren Investitionsschwerpunkt neu aus – auf digitale (38 Prozent) und soziale Infrastruktur (31 Prozent). Ein Viertel der befragten Gebietskörperschaften gab an, dass die Pandemie Schwächen in ihren Gesundheitsdiensten aufgezeigt hat. Besonders ausgeprägt war dies in Südeuropa und in geringerem Maße in Mittel- und Osteuropa.

    Die Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig eine angemessene digitale und soziale Infrastruktur ist. Doch dürfen klimabezogene Investitionen und ihre Finanzierung nicht in den Hintergrund rücken. Die Kommunen räumen ein, dass die Klimainvestitionen nicht ausreichen. Daher muss die Politik die Hürden für grüne Investitionen aus dem Weg räumen und die Kommunen unterstützen.

    Eine andere Krisenreaktion

    Vor einem Jahrzehnt kürzten die Regierungen nach der globalen Finanzkrise und der Staatsschuldenkrise radikal die Ausgaben, um die öffentlichen Finanzen zu stabilisieren. Diese Sparmaßnahmen wirkten sich stark auf das Wachstum aus und führten zu einem anhaltenden Rückgang der Investitionen.

    Bei der Covid-19-Krise war die Reaktion eine andere. Die Konjunkturprogramme der EU-Mitgliedstaaten legen den Fokus auf öffentliche Investitionen. Ein Teil dieser Investitionen wird von der EU aus der Aufbau- und Resilienzfazilität unterstützt: Darlehen und Zuschüsse im Umfang von 672,5 Milliarden Euro sollen die sozioökonomischen Folgen der Coronapandemie abfedern. 37 Prozent der Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität fließen in den Klimaschutz und 20 Prozent in den digitalen Wandel, damit die europäischen Volkswirtschaften nachhaltiger werden. Der Teufel steckt jedoch im Detail. Die Kommunen müssen die richtigen Kompetenzen aufbauen, um das Geld wirksam einzusetzen und die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, insbesondere bei Umwelt- und Digitalinvestitionen.

    Zudem stehen die Kommunen bei der Umsetzung der EU-Politik an vorderster Front. Als sozioökonomische Zentren helfen sie der Gesellschaft maßgeblich dabei, sich auf den Klimawandel einzustellen und das Klima nicht zu belasten. Die Umfrage zeigt allerdings: Zwei Drittel der Kommunen müssen die nötigen Kompetenzen für grüne Projekte aufbauen, und fast die Hälfte hinkt bei der Digitalisierung hinterher. In Süd-, Mittel- und Osteuropa stehen die Kommunen vor besonderen Herausforderungen.   

    Wenn Europa seine Ziele erreichen will, muss es die Kommunen beim Aufbau der notwendigen Kompetenzen unterstützen. Nur so können sie dem Klimawandel begegnen und die Digitalisierung voranbringen. Die gute Nachricht: Die Kommunen – vor allem in weniger entwickelten Regionen – wollen wirklich aufholen.