Was ist, wenn das Coronavirus Entwicklungsländer trifft, wo die Gesundheitsversorgung Luxus ist? Wir haben unseren Entwicklungsexperten gefragt.

Unser Leben hat sich durch die Coronakrise in vielerlei Hinsicht verändert. Aber hat es sich zum Guten verändert? Zum Besseren? In dieser Folge unseres Podcasts Ändert sich jetzt alles? geht es darum, wie sich Covid-19 auf Entwicklungsländer auswirkt – und auf die Entwicklungsfinanzierung.

Wir haben dazu mit Christian Elias gesprochen. Er ist bei der Europäischen Investitionsbank für Finanzierungen im öffentlichen Sektor in Ostafrika und im Südlichen Afrika zuständig.


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Hat das Coronavirus die Entwicklungsfinanzierung grundlegend verändert?

Gute Frage. Meine Antwort ist nein. Natürlich hat sich für den Moment sehr viel verändert: Es passiert eine Menge, und es geht vor allem darum, die kurzfristigen Folgen des Virus einzudämmen, auch für die Wirtschaft. Langfristig müssen wir der Entwicklungsfinanzierung aber die gleiche Aufmerksamkeit schenken wie in den vergangenen Jahren. Ich denke, das wird sich auch nicht ändern.

Sprechen wir zunächst darüber, wie es kurzfristig aussieht. Welche schnellen Antworten brauchen die Entwicklungsländer auf das Coronavirus?

In den Entwicklungsländern passiert das Gleiche wie in Europa. Länder fahren das öffentliche Leben herunter, und die Wirtschaft bricht ein. Dadurch wird bei vielen Unternehmen und Einrichtungen das Geld knapp. Die Entwicklungsländer versuchen also, ihre Unternehmen über Wasser zu halten und ihnen Liquidität zu verschaffen – mit Krediten, Zuschüssen, Steuerstundungen, Zahlungen aus Beschäftigungsprogrammen. Das hat jetzt zunächst oberste Priorität. Da passiert eine Menge, und darauf liegt, ganz kurzfristig betrachtet, die gesamte Aufmerksamkeit. Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen wie die EIB, aber auch die Weltbank versuchen deshalb vor allem, die Wirtschaft in diesen Ländern mit Liquidität zu versorgen – indem sie Auszahlungen beschleunigen, bereits laufende Projekte neu ausrichten oder, wo immer möglich, Zahlungen vorziehen.

Auf der Mikroebene scheint das Coronavirus innerhalb und außerhalb der EU insgesamt recht ähnliche Folgen zu haben. Unternehmen bricht die Nachfrage weg, Lieferketten reißen, viele Beschäftigte bleiben daheim und fehlen in der Produktion und im Service. Gibt es große Unterschiede zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, was die Auswirkungen des Virus auf Unternehmen betrifft?

Ich würde da zwischen zwei Arten von Organisationen unterscheiden:

In der normalen Wirtschaft, wenn ich das so nennen darf, sehen wir sehr ähnliche Effekte.

Aber im Gesundheitswesen, in Krankenhäusern beispielweise, muss man sagen, dass die Zahl der bestätigten Coronainfektionen in den Entwicklungsländern derzeit nicht so hoch ist. In vielen Ländern sind es nur ein paar Hundert. Deshalb haben die Gesundheitseinrichtungen dort keinen so dringenden Finanzierungsbedarf.

Da geht es weniger um die Sofortreaktion als darum, die Wirtschaft und das Gesundheitswesen langfristig zu stärken. Das wäre für mich der Unterschied, wenn ich die Industrieländer mit den Entwicklungsländern insgesamt vergleichen sollte.

Wenn sich das Virus in den Entwicklungsländern bislang gar nicht so verbreitet hat, sollten dann Investitionen in das Gesundheitswesen überhaupt Priorität haben?

Auf jeden Fall! Sie haben hohe Priorität und werden immer dringlicher. Das Gesundheitswesen ist in den Entwicklungsländern auf allen Ebenen schlecht aufgestellt. Das beginnt mit den Testeinrichtungen.

Einer der Gründe, warum es in diesen Ländern nicht so viele registrierte Fälle gibt, ist schlicht, dass die Menschen dort nicht so getestet werden wie hier in Europa. Wir müssen also erst einmal für die notwendige diagnostische Ausstattung sorgen. Da tut die EIB eine Menge. So finanzieren wir im Rahmen der Investitionsoffensive für Drittländer der Europäischen Kommission gemeinsam mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung ein Projekt zur Verbesserung der Diagnostik und Laborleistungen. Es wird über öffentlich-private Partnerschaften in den Entwicklungsländern umgesetzt. In Anbetracht der Krise drücken wir bei dem Programm jetzt aufs Tempo, denn ohne Test werden die Menschen auch nicht behandelt. Insofern sind Investitionen in die diagnostischen Möglichkeiten des Gesundheitswesens sehr wichtig und haben für die EIB Priorität.

Wir beobachten auch, dass Gesundheit in Afrika wirklich ein Luxusgut ist. Nur der wohlhabende Teil der Bevölkerung hat Zugang zu medizinischer Versorgung, wie wir sie hier in Europa kennen. Die Ärmeren bleiben da außen vor. Wir müssen also zusehen, wie auch der ärmere Teil der Bevölkerung angemessen versorgt werden kann. Das ist eine der Herausforderungen. Und es ist ein großer Schwerpunkt der EIB – bei unserer Antwort auf die aktuelle Krise, aber auch langfristig. Gesundheit für alle, darum geht es. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen in diesen Ländern Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten.

Gibt es neben Tests und Diagnostik noch weitere Bereiche, die wir besonders im Blick haben?

Ja, sicher. Stichwort Gesamtkonzept. Gemeint ist die ganze Schleife vom Test über die Behandlung bis zur Nachkontrolle, wenn die Patienten hoffentlich wieder gesund sind. Die EIB finanziert das auf allen Ebenen. Und auf allen Ebenen sind in den Entwicklungsländern gewaltige Investitionen erforderlich.

Eine Sache, die bei der Entwicklungsfinanzierung wichtig ist: Man macht das nie allein. Man schließt sich auf allen Ebenen mit Partnern zusammen – die EIB mit Finanzakteuren wie der Weltbank, der KfW oder der Agence française de développement. Und in der aktuellen Krise arbeiten wir viel mit den UN-Organisationen zusammen, wie etwa der Weltgesundheitsorganisation.

Die EIB unterzeichnet gerade eine Absichtserklärung mit der WHO, in der es um verschiedene Themen in den Entwicklungsländern geht, aber auch um die bestmögliche Antwort auf die aktuelle Krise. Wir freuen uns sehr auf diese Zusammenarbeit vor Ort. Mit dem technischen Know-how der WHO und unserer Kompetenz in der Finanzierung können wir Antworten auf die jetzigen und die drängendsten Probleme in diesen Ländern geben.

Sie sagten zu Beginn, dass sich langfristig die Prioritäten in der Entwicklungsfinanzierung nicht verschieben. Welches sind diese Prioritäten, die wir trotz der Krise beibehalten?

Ich erwarte, dass sich da langfristig nichts ändert, weil die grundlegenden Bedürfnisse, um die wir alle uns in den Entwicklungsländern kümmern, die gleichen bleiben. Die Menschen dort brauchen Strom und Zugang zu Wasser. Sie brauchen Liquidität für ihre Geschäfte und eine Infrastruktur, die zuverlässig funktioniert. Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen wie die EIB sorgen dafür, dass genug Geld da ist. Das ist traditionell unser Beitrag. Wir finanzieren Straßen, Energieprojekte – und da jetzt besonders erneuerbare Energien –, den Zugang zu Wasser und zunehmend auch die Digitalisierung. Diesen Bedarf wird es auch nach der Krise noch geben, und die EIB wird dann weiter bei der Finanzierung helfen.

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