Wie wirkt sich das Coronavirus auf PPPs aus? Was passiert mit all den Projekten für Krankenhäuser, Schulen, Straßen und Flughäfen, die vom Lockdown betroffen sind? Wir haben eine Expertin bei der EIB gefragt.
Die Coronakrise hat unser Leben verändert. Aber bleibt das nun so? In unserer Reihe Ändert sich jetzt alles? sprechen wir mit Expertinnen und Experten der Europäischen Investitionsbank über die Auswirkungen von Covid-19 auf die Bildung, Digitalisierung, Mobilität in Städten und Medizin – und auf unser tägliches Leben.
Was bedeutet das Coronavirus für öffentliche Infrastruktur, die von PPPs betrieben wird und jetzt vom Lockdown betroffen ist? Darüber sprachen wir mit Julia Kennedy vom Europäischen PPP-Kompetenzzentrum bei der Europäischen Investitionsbank.
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PPPs sind eine Möglichkeit, öffentliche Dienstleistungen anzubieten. Statt alles selbst zu machen, nutzt der öffentliche Sektor das Know-how und die Kompetenz des Privatsektors. Richtig?
Ja, genau. Eine öffentlich-private Partnerschaft oder kurz PPP ist normalerweise eine langfristige Vereinbarung für 10 bis 30 Jahre, bei der der private Sektor den Bau, die Finanzierung und den Betrieb von öffentlicher Infrastruktur übernimmt. Beispiele dafür sind Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen oder Kläranlagen. Der private Partner investiert in der Regel in die Infrastruktur und erhält dann im Zeitverlauf Gebühren für deren Nutzung, entweder von der öffentlichen Hand – etwa bei Schulen oder Krankenhäusern – oder direkt von denjenigen, die die Infrastruktur nutzen – beispielsweise Zugfahrgäste oder Nutzer von Mautstrecken.
Was bedeutet das Coronavirus für PPPs und all diese öffentlichen Dienstleistungen? Ändert sich jetzt alles?
Kurz gesagt, ja. Das Coronavirus hat im Moment erhebliche Auswirkungen. Viele Dinge haben sich auf die eine oder andere Weise verändert, zumindest kurzfristig. Nehmen wir zum Beispiel Projekte, die noch nicht fertig sind: Die Bautätigkeit in ganz Europa ist eingebrochen oder völlig zum Erliegen gekommen. Daher wird es hier kurzfristig viele Verzögerungen geben.
Die Frage ist: Wer trägt die Verantwortung für diese Verzögerungen und deren Kosten? Der Privatsektor wird wissen wollen, ob er dafür Strafen zahlen muss und ob der öffentliche Sektor hilft, die finanzielle Belastung zu schultern. Letztendlich sind auch soziale Kosten damit verbunden, weil die Infrastruktur und die besseren Leistungen erst später bereitgestellt werden können.
Bei Projekten, die fertig und in Betrieb sind, ist es unterschiedlich. Auf der einen Seite sind da die Krankenhäuser, deren Auslastung jetzt stark zugenommen hat. Zum Teil muss dringend die Flächen- und Raumnutzung angepasst werden, wenn beispielsweise Normalstationen in Intensivstationen umgewandelt werden. Die stärkere Nutzung bedeutet auch eine höhere Belastung für die privaten Partner. Sie müssen trotz Personalknappheit und Lieferengpässen ihre Routineaufgaben erfüllen, etwa Instandhaltung oder Reinigung.
Auf der anderen Seite haben wir die Schulen, die jetzt seit mehreren Wochen teilweise oder ganz geschlossen sind. Da werden nun weder die Gebäude noch die Dienstleistungen für deren Betrieb gebraucht. In beiden Fällen ist die Frage: Wie flexibel lassen sich die PPP-Vereinbarungen an die veränderten Umstände anpassen, vor allem aus Sicht der privaten Partner und ihrer Kreditgeber? Laufen die Zahlungen weiter, wenn während der Coronakrise die Leistungen nicht erbracht werden – sei es, weil das notwendige Personal oder Material nicht zu bekommen ist oder weil gar kein Bedarf besteht?
Die Frage stellt sich auch im Verkehrssektor: Viele Straßen, Häfen, Eisenbahnen und Flughäfen werden von privaten Unternehmen betrieben. Sie sind auf die Fahr- oder Fluggasteinnahmen angewiesen, die in den letzten Wochen eingebrochen sind. Wie überstehen die Betreiber das, und welche Rolle spielt der Staat dabei?
Probleme sehen wir auch bei PPPs, die sich noch im Ausschreibungsverfahren befinden. Ein Angebot zu erstellen und die Vertragsbedingungen auszuhandeln, ist schon in guten Zeiten eine komplexe Aufgabe, und jetzt erst recht. Bei manchen Projekten geht es ganz ordentlich voran. Die beteiligten Parteien verhandeln so gut es geht in Videokonferenzen oder zum Teil auch schriftlich. Aber bei den meisten Vorhaben und Vergabeverfahren wird es zu Verzögerungen und Änderungen kommen. Keine Frage: Covid-19 und die Pandemie kommen jetzt auf den Verhandlungstisch, bevor irgendjemand bereit ist, einen Vertrag zu unterzeichnen. Es herrscht eine gewisse Nervosität und Unsicherheit, ob in naher Zukunft Verträge abgeschlossen werden können.
Das klingt (für öffentliche Projekte) besorgniserregend. Haben Sie irgendwelche Tipps, die Sie den öffentlichen und privaten Partnern in dieser Lage geben können?
Die Krise wird den Partnerschaftsaspekt bei PPPs sicherlich auf die Probe stellen. Das Wichtigste scheint mir die Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien. Der private Partner muss verstehen, welchen Forderungen und welchem Druck der öffentliche Partner ausgesetzt ist, die öffentliche Dienstleistung weiter zu erbringen. Gleichzeitig muss der öffentliche Partner erkennen, mit welchen Schwierigkeiten der private Partner seinerseits zu kämpfen hat.
Irgendwann – hoffentlich sehr bald – kommt für alle diese Projekte die Zeit der Rückkehr zur Normalität. Da ist es im allseitigen Interesse, dass die Parteien all dies möglichst unbeschadet überstehen. Wir haben die Aufgabe, unser Netzwerk im öffentlichen Sektor zu aktivieren – Akteure zusammenzubringen, damit sie Ideen und Lösungen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Privatsektor austauschen können.
Und was heißt das für die Zukunft der öffentlich-privaten Partnerschaften? Wird es schwerer werden, solche Kooperationen zu vereinbaren?
Bei den einzelnen Projekten werden sicherlich beide Partner viel bewusster darauf achten, dass die Verträge Flexibilität gewähren. Das Coronavirus hat auf beispiellose Weise gezeigt, dass Anbieter öffentlicher Dienstleistungen in der Lage sein müssen, schnell und flexibel zu reagieren. Wo der Privatsektor beteiligt ist, wird er auch weiter dafür sorgen müssen, dass dies sichergestellt ist.
Er wird sehr viel genauer prüfen, dass die Verträge klar regeln, wer bei Pandemien oder anderen Notsituationen die hohen Risiken und die Verantwortung trägt. Was kann in diesem Fall vernünftiger- und fairerweise – praktisch und finanziell – von der jeweils anderen Seite erwartet werden? Insgesamt wird es darauf ankommen, welche Haltung die öffentliche Hand als Ergebnis der Krise und deren wirtschaftlicher Folgen zu PPPs einnimmt. Da werden die Wege sicherlich auseinandergehen, ähnlich wie bei der Finanzkrise 2008. Zum Teil werden die öffentlichen Ausgaben und die Investitionen in neue Projekte wohl deutlich zurückgefahren.
Andererseits muss die öffentliche Hand beträchtliche Summen für Infrastruktur ausgeben, nicht zuletzt für den Klimaschutz und um die CO2-Ziele zu erreichen. Daher erwarten wir, dass Länder in manchen Fällen Infrastrukturausgaben priorisieren, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Und dann ist die Frage, ob sie sich für die private Finanzierung über PPPs entscheiden oder für die herkömmliche Aufnahme von Krediten. PPPs sind meist kosteneffizient und können zusätzliche öffentliche Investitionen ermöglichen. Allerdings sind sie komplex, und das Vergabeverfahren kann sich hinziehen. Außerdem muss der private Markt florieren, damit ein guter Wettbewerb herrscht.
Einige Länder haben viel Erfahrung mit PPPs und können auf gute Erfolge damit verweisen, andere weniger. Sie müssen zusätzlich noch das Know-how und die nötige Kompetenz für gute PPP-Projekte aufbauen. Da kommen dann das Europäische PPP-Kompetenzzentrum, kurz EPEC, und die EIB ins Spiel.
Ein weiterer Faktor ist die Bereitschaft des Privatsektors, sich angesichts der Risiken, Schwierigkeiten und Unsicherheiten weiter an solchen Partnerschaften zu beteiligen. Außerdem müssen die Banken und andere Kreditgeber auch künftig bereit und in der Lage sein, diese Projekte langfristig zu finanzieren. Interessant wird auch sein, was der Versicherungssektor macht. Wird er reagieren und Lösungen zur Absicherung des Risikos künftiger Pandemien anbieten?
Und wenn wir noch einen Schritt zurückgehen, wäre zu bedenken, welche Auswirkungen die Krise ganz allgemein auf die Infrastrukturplanung und ‑vorbereitung hat. Die Art und Weise, wie wir arbeiten, reisen und kommunizieren, hat sich in den letzten Monaten grundlegend verändert – für die Gesellschaft, den Staat und die Unternehmen. Manches davon wird vielleicht nie mehr so, wie es zuvor war. Regierungen müssen also ihre Prognosen und Annahmen, was den Bedarf und die Nutzung öffentlicher Infrastruktur in der Zukunft angeht, erneut überprüfen.
Die Bank schnürt als Antwort auf die Coronakrise ein großes Hilfspaket. Welche Rolle spielt Ihr Team in diesem Paket?
Für uns wird es sicher nicht ruhiger. Wir beim EPEC helfen dem öffentlichen Sektor, gute öffentlich-private Partnerschaften zu schließen, das ist unsere Aufgabe. Dazu geben wir Informationen, Best Practices und Erkenntnisse weiter, die wir in unserem europaweiten Netzwerk gesammelt haben. Wir beraten Staaten in strategischen Fragen und Projektträger bei der Vorbereitung ihrer Projekte. Das Coronavirus ändert nichts an unserem Auftrag oder den Leistungen, die wir anbieten. Wir werden weiterarbeiten wie bisher, allerdings dürfte der Beratungsbedarf steigen. Denn der Markt braucht auf seinem Weg durch die Krise und zu diesen Partnerschaften der Zukunft Orientierungshilfe.
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