Online-Kurse und Coachings eines Mikrofinanzierers wappnen marokkanische Unternehmerinnen für schwierige Zeiten

Salima Ennabali näht gern und entwirft Mode. Jetzt hat sie ihre eigene Boutique: „Immer wenn ich an einer Näherei vorbeikam, haben mich die traditionellen marokkanischen Kleider fasziniert.“

In ihrem Geschäft auf einer belebten Straße im nordmarokkanischen Meknes hängt sie eines ihrer handbestickten Kleider auf. Perfekt platziert neben anderen Kleidern wirbt es für die Farbenpracht ihrer Kreationen. Sie macht ein Foto, das sie später in den sozialen Medien posten wird. Smart Sales und gutes Marketing – beides hat sie durch einen Mikrofinanzierer gelernt, der Frauen Erfolgsstrategien für schwierige Zeiten vermittelt.

Für ihre Näherei bekam Ennabali Geld von Attadamoune Micro-Finance. Der Mikrofinanzierer hilft Hunderten Unternehmen in Marokko mit Beratung und Kleinkrediten. Bis zu 13 600 Euro erhalten Kleinstbetriebe – in erster Linie die, die bei traditionellen Banken kaum eine Chance haben. Das Besondere an Attadamoune ist sein Angebot jenseits von Krediten. Dazu gehören Kurse und Einzelcoachings für Frauen, die ihnen helfen, ihren Umsatz zu steigern und zu expandieren.

„Attadamoune entstand ursprünglich, um Frauen in prekären Verhältnissen unter die Arme zu greifen, weil Frauen in der marokkanische Familie eine zentrale Rolle spielen“, erklärt Kenza Serrhini, Marketing-Chefin von Attadamoune Micro-Finance.Attadamoune ist Arabisch und bedeutet „Solidarität“. Das Unternehmen wurde 1994 von Khaddouj Gharbi gegründet und ist das einzige Mikrofinanzinstitut in Marokko, in dem Frauen die Fäden in der Hand haben. Durch die Frau an der Spitze gewinnt Attadamoune das Vertrauen seiner Kundschaft – zu 70 Prozent frauengeführte Firmen.

Mit Coaching auf Erfolgskurs

„Vertrauen ist für uns und unsere Kundschaft besonders wichtig“, sagt Larbi Lahjouji, bei Attadamoune Micro-Finance für das Filialnetz zuständig. „Wir tun alles für eine enge Beziehung zu unseren Kundinnen und Kunden.“ Ennabali kennt den Leiter ihrer lokalen Filiale inzwischen sehr gut. Der jüngste Mikrokredit für ihre Näherei war nicht der erste, den sie von Attadamoune bekam.

Neben Krediten bieten Mikrofinanzfirmen auch Beratung und helfen, Geschäftspläne aufzustellen und umzusetzen. Diese Art von Unterstützung müssen kleine Betriebe normalerweise suchen wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) engagiert sich seit vielen Jahren für Mikrofinanzierungen und die Beratung von Unternehmerinnen und Unternehmern in Afrika und anderen Teilen der Welt. Denn kleine Unternehmen sind das Rückgrat der meisten Volkswirtschaften.

Mit einem EIB-Zuschuss von 63 000 Euro für technische Hilfe aus Mitteln des EIB-Fonds für finanzielle Inklusion legte Attadamoune Micro-Finance ein Programm für frischen Unternehmergeist nach der Krise auf. Rund 450 Unternehmerinnen wie Ennabali konnten dank des Programms zwischen 2020 und 2022 an E-Commerce-Qualifizierungen teilnehmen. Dort erfuhren sie zum Beispiel, wie Kontakthalten zur Kundschaft in Zeiten von Corona und Lockdowns funktioniert. In Marokko, wo persönliche Beziehungen im Alltag das A und O sind, ist das besonders wichtig.
 



Der Fonds für finanzielle Inklusion ist ein Treuhandfonds, der von der EIB Global, dem Geschäftsbereich Entwicklung der EIB, verwaltet wird. Geber der EIB-Treuhandfonds sind hauptsächlich EU-Länder. Mit dem Geld fördert die EIB Global in Dutzenden Ländern Projekte für Klimaschutz, soziale Infrastruktur, Digitalisierung, finanzielle Teilhabe und Innovation. Sie stellt dafür Zuschüsse, technische Hilfe und andere finanzielle Unterstützung zur Verfügung.

Der Fonds für finanzielle Inklusion hilft vulnerablen Gruppen in Entwicklungsländern. Luxemburg ist der erste Geber des Fonds und hat bisher fast sieben Millionen Euro bereitgestellt, um afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten sowie Ländern in der sogenannten südlichen Nachbarschaft der EU zu helfen – also Ländern in Nordafrika und im Nahen Osten wie Jordanien, Libanon und Tunesien. Außerdem fördert der Fonds die Gleichstellung der Geschlechter, Unternehmertum und Digitalisierung.

„Es ist wirklich beachtlich, was die Zuschüsse alles bewirken“, sagt Cristiana Finotti, Expertin für technische Hilfe bei der EIB Global. „Die Menschen sind dadurch viel besser gegen wirtschaftliche Schocks wie die Coronakrise gewappnet.“

Mit Online-Handel auf Wachstumskurs

100 Kundinnen von Attadamoune Micro-Finance konnten dank des Programms für frischen Unternehmergeist an einem Coaching teilnehmen, wo sie ihren Geschäftsplan für den Online-Handel entwickelten. Unter anderem lernten sie, wie man über das Internet ein neues Publikum erreicht und kunstgewerbliche Artikel und Dienstleistungen exportieren kann. Vor allem in der Pandemie bewährte sich das Coaching. Jetzt will Attadamoune Micro-Finance sein E-Commerce- und Coaching-Programm auf 2 500 Frauen ausweiten.

Das Programm sorgt dafür, dass Frauen in der Wirtschaft ernst genommen werden, und verbessert ihre Kreditchancen bei traditionellen Banken. Das eröffnet ihnen dann wieder neue Horizonte. Zum Beispiel Fatiha Boularf, ebenfalls Unternehmerin aus Meknes: Nach den Kursen von Attadamoune richtet sie nun als Negafa traditionelle marokkanische Hochzeitsfeiern aus. Unter anderem liefert die Negafa den Hochzeitsschmuck und andere Accessoires, die Frauen bei Hochzeiten tragen. Durch den E-Commerce-Kurs konnte Boularf ihr Einkommen verbessern und expandieren. „Mein Traum? Nach verschiedenen Städten in meinem Land würde ich eines Tages gerne im Ausland arbeiten“, sagt sie.

>@EIB

Fatiha Boularf hat in einen Lieferwagen investiert. Und ihre Kinder gehen nun in eine gute Schule.

Weil Fatiha Boularf mehr einnimmt, konnte sie bei einer lokalen Bank einen Kredit beantragen. Mit dem Geld kaufte sie einen Van. Jetzt braucht sie ihre Utensilien und Ausstattung nicht mehr zu den Hochzeiten zu tragen. Außerdem kann sie ihre Kinder in eine gute Schulen schicken. Und sie will ein Haus kaufen, damit ihre Familie unabhängiger wird.

Durch Coaching zur Mode-Influencerin

Ennabalis Geschäft in Meknes floriert. Sie bespielt aktiv drei Social-Media-Kanäle und hat dadurch auch die Corona-Lockdowns gut überstanden. Alle Kredite der Youtube-Influencerin sind zurückgezahlt. Inzwischen beschäftigt sie 40 Frauen, die ihre Kreationen nähen. Ennabali will möglichst vielen Frauen helfen – vor allem denen, die es besonders schwer haben.

„Ich möchte einen großen Laden in guter Lage aufmachen, wo ich Witwen, Geschiedene und Frauen beschäftige, die sich um ihre Eltern kümmern. Einfach so viele Mitarbeiterinnen wie möglich“, schwärmt sie.